Wenn unsere Katze etwas tut, das uns nicht gefällt , z.B. auf den Tisch springt, an Möbeln kratzt oder uns anknurrt, dann ist es ganz normal, dass wir verärgert oder hilflos reagieren. Viele greifen dann instinktiv zur Strafe: ein lautes „Nein!“, ein Klatschen, ein Wegstoßen der Katze oder sogar ein bespritzen mit Wasser.
Aber was gut gemeint ist, um Grenzen zu setzen, kann viel Schaden anrichten, sowohl bei deiner Katze als auch eurer Beziehung. Lass uns gemeinsam anschauen, warum Strafen im Katzenalltag mehr Probleme schaffen als lösen und was du stattdessen tun kannst.
Was bedeutet es überhaupt, eine Katze zu bestrafen?
Im Alltag sprechen wir oft von „Bestrafung“, wenn wir ein Verhalten unserer Katze stoppen oder ihr zeigen wollen, dass sie etwas nicht tun soll. Doch was bedeutet das aus verhaltenstherapeutischer Sicht genau?
In der Verhaltenstheorie unterscheidet man zwei Arten von Strafe:
1. Positive Strafe – etwas Unangenehmes wird hinzugefügt
Bei der positiven Strafe geht es nicht darum, dass etwas „gut“ ist, das „positiv“ bedeutet lediglich, dass etwas hinzugefügt wird, um ein Verhalten zu unterdrücken. In diesem Fall wird ein unangenehmer Reiz eingesetzt, um die Katze davon abzuhalten, etwas zu tun.
👎 Typische Beispiele dafür sind:
- Anschreien, Schimpfen, Zischlaute machen
- Die Katze anpusten
- Nach der Katze mit Gegenständen werfen
- Mit Wasser bespritzen
- Festhalten oder gar schütteln
- Die Katze vom Tisch oder der Kommode schubsen
- Mit der Hand oder Gegenständen schlagen
- Treten
- Bedrohlich auf die Katze zugehen
- Sie gezielt anstarren
Manchmal sind solche Handlungen absichtlich als Strafe gedacht, oft aber auch nicht. Trotzdem wirken sie aus Sicht der Katze wie eine Strafe, wenn sie das Verhalten des Menschen als unangenehm empfindet. Selbst gut gemeinte Handlungen können so als Strafe wahrgenommen werden.
❗ Auch unbeabsichtigte Strafen sind Strafen.
Nicht immer ist Menschen bewusst, dass ihr Verhalten auf ihre Katze abschreckend wirkt. Vielleicht war das Anstarren oder das Festhalten gar nicht böse gemeint – aber die Katze empfindet es trotzdem als unangenehm. Und Verhalten, das unangenehme Folgen hat, wird zukünftig seltener gezeigt, das ist das Grundprinzip, ob wir es bewusst einsetzen oder nicht.
2. Negative Strafe – etwas Angenehmes wird entzogen
Bei der negativen Strafe wird der Katze etwas Positives weggenommen, um ein Verhalten zu unterbinden. Dabei handelt es sich nicht um körperliche Einwirkung oder Drohungen. Auf den ersten Blick wirkt diese Methode vielleicht harmloser als die positive Strafe. Aber das täuscht! Auch negative Strafe kann starke emotionale Reaktionen auslösen und sich langfristig negativ auf das Verhalten und das Wohlbefinden deiner Katze auswirken.
👎 Typische Beispiele sind:
- Akuter Entzug von Futter (z. B. Napf wieder mitnehmen, wenn Katze kratzt)
- Beenden des gemeinsamen Spiels, wenn die Katze vermeintlich „zu wild“ wird
- Kontaktabbruch (ignorieren, Raum verlassen)
- Aussperren (z. B. aus dem Schlafzimmer, nach einer unerwünschten Handlung)
📌 Was passiert bei der Katze?
Bei der negativen Strafe geht es nicht um Gewalt, aber das bedeutet nicht, dass sie harmlos ist. Die Katze erlebt in diesem Moment eine Form von Enttäuschung, Frustration oder sogar Angst, weil etwas Schönes plötzlich nicht mehr da ist. Das kann besonders schwer wiegen, wenn die Katze auf das Spiel, die Zuwendung oder das Futter emotional angewiesen ist.
Aus diesen Gründen sollten Strafen vermieden werden:
1. Das richtige Timing ist fast unmöglich
Damit die Katze mit einer Strafe überhaupt eine Verbindung zum Verhalten herstellen kann, muss sie innerhalb einer Sekunde nach dem Verhalten erfolgen. Ja, richtig gelesen – eine Sekunde. Und mal ehrlich: Wer schafft das zuverlässig im Alltag?
Katzen sind keine Menschen und können nicht im selben Maße wie wir Ursache und Wirkung in Verbindung bringen, insbesondere wenn es um zeitverzögerte Konsequenzen geht. Wenn eine Katze etwas „Unerwünschtes“ tut und sie dafür später bestraft wird, versteht sie in den meisten Fällen nicht, warum sie bestraft wird. Die Verknüpfung zwischen der Handlung und der Strafe wird nicht hergestellt, da Katzen nur in sehr engen Zeitfenstern lernen.
👉 Beispiel:
Angenommen, deine Katze hat ins Bett gepinkelt und du entdeckst das erst Stunden später. Wenn du die Katze dann schimpfst oder bestrafst, wird sie nicht verstehen, dass die Strafe mit dem Vorfall zusammenhängt. Aus ihrer Sicht wird sie für ihre aktuelle Handlung, z.B. das lässige chillen auf dem Kratzbaum, bestraft. Sie lernt dabei nichts über ihr Verhalten, sondern lediglich, dass ihr Halter in bestimmten Situationen unberechenbar ist.
2. Strafen unterdrücken Verhalten – sie lösen es nicht
Eine Strafe kann ein Verhalten kurzfristig stoppen. Aber das heißt nicht, dass das Bedürfnis verschwunden ist. Es wurde nur unterdrückt. Die Katze weiß dann nicht, was sie stattdessen tun soll. Sie versteht lediglich, dass eine bestimmte Handlung (zumindest in Anwesenheit des Halters) unerwünscht ist, aber sie lernt nicht, welches Verhalten gewünscht wäre. Und irgendwann kommt das Verhalten zurück. Vielleicht sogar noch stärker oder in anderer Form.
👉 Beispiel:
Eine Katze, die für das Kratzen an Möbeln bestraft wird, weiß nicht automatisch, dass sie stattdessen am Kratzbaum kratzen soll. Ohne eine klare Anleitung, was das richtige Verhalten wäre, wird sie verunsichert und verwirrt. Sie wird möglicherweise das unerwünschte Verhalten wiederholen oder andere Wege finden, um ihre Kratzbedürfnisse zu befriedigen.
3. Verschärfung des Verhaltensproblems
Paradoxerweise können Bestrafungen das unerwünschte Verhalten der Katze noch verstärken, anstatt es zu unterbinden. Wenn die Katze nicht versteht, warum sie bestraft wird, könnte sie anfangen, das Verhalten häufiger zu zeigen, entweder aus Unsicherheit oder, weil sie den Zusammenhang zur Strafe schlichtweg nicht erkennt. Besonders bei stressbedingtem Verhalten wie Unsauberkeit oder Kratzen kann Bestrafung das Problem verschlimmern, da die Katze noch mehr unter Druck gerät und das Verhalten als Bewältigungsmechanismus verstärkt.
👉 Beispiel:
Wenn eine Katze aus Stress pinkelt und dafür bestraft wird, wird sie nur noch unsicherer und gestresster, was zu weiteren unsauberen Vorfällen führen kann. Das zugrunde liegende Problem, der Stress, wird durch die Strafe nicht gelöst, sondern verstärkt.
4. Strafen können Aggressionen auslösen oder verstärken
Viele Katzen zeigen vor einem Angriff Warnsignale: ein aufgestellter Schwanz, Knurren, Fauchen, ein Wegdrehen. Werden diese Signale ignoriert oder mit Strafe „beantwortet“, bleibt der Katze manchmal nichts anderes übrig, als sich mit Krallen und Zähnen zu wehren.
👉 Beispiel:
Eine Katze mag es nicht, am Bauch gestreichelt zu werden. Sie warnt mit einem Zucken, vielleicht einem Fauchen. Wenn der Mensch das ignoriert und sie dann für das „Krallen“ anschreit oder wegscheucht, verstärkt sich die Situation beim nächsten Mal. Die Katze lernt: Reden bringt nichts, ich muss mich direkt wehren.
Strafen führen in solchen Fällen nicht zu mehr Kooperation, sondern zu einem explosiveren Verhalten, weil das Tier keine anderen Strategien mehr sieht.
5. Strafen können die Psyche deiner Katze belasten
Katzen sind sensible Wesen. Wenn sie immer wieder bestraft werden, egal ob durch laute Stimmen, Wegsperren oder körperliches Eingreifen, hinterlässt das Spuren. Manche Katzen werden vorsichtig, ziehen sich zurück oder meiden bestimmte Menschen. Andere werden übermäßig wachsam und scheinen ständig „auf der Hut“ zu sein. Und wieder andere entwickeln Aggressionen oder hören ganz auf, eigene Entscheidungen zu treffen.
👉 Beispiel:
Eine Katze kratzt regelmäßig am Sofa. Jedes Mal wird sie dafür laut angeschrien. Nach einigen Tagen nähert sie sich nur noch zögerlich dem Wohnzimmer, sie scheint ängstlich, angespannt und bewegt sich geduckt. Vielleicht hat sie sogar angefangen, stattdessen an der Tür zu kratzen. Das ursprüngliche Problem ist nicht gelöst, aber das Wohlbefinden der Katze ist massiv beeinträchtigt.
Es kommt zu Meideverhalten oder sogar zu einer erlernten Hilflosigkeit, sie sind ein Zeichen dafür, dass die Katze emotional überfordert ist. Statt zu lernen, was wir uns wünschen, zieht sie sich innerlich zurück.
6. Strafen machen Katzen unflexibel
Katzen, die ständig mit aversiven (unangenehmen) Reizen konfrontiert sind, werden mit der Zeit oft weniger neugierig und offen für neue Dinge. Sie zeigen weniger Erkundungsverhalten, lernen schlechter, ziehen sich eher zurück.
👉 Beispiel:
Eine Katze, die früher interessiert an neuen Spielzeugen oder Besuchern war, reagiert nach wiederholten Strafen zunehmend ängstlich und zurückhaltend. Sie versteckt sich mehr, wirkt apathischer oder gereizter.
Ein gesundes Lernverhalten braucht Sicherheit, Vertrauen und positive Erfahrungen. Strafen rauben genau das.
Was du stattdessen tun kannst
Der Schlüssel liegt in der positiven Verstärkung: Bestärke deine Katze für gewünschtes Verhalten, gib ihr Alternativen, wenn etwas problematisch ist, und finde die Ursache für störende Verhaltensweisen.
👉 Deine Katze springt auf den Tisch? Stelle ihr einen erhöhten Kratzbaum mit Aussicht daneben und belohne sie jedes Mal, wenn sie dort sitzt und auch sitzen bleibt.
👉 Sie kratzt an der Couch? Biete attraktive Kratzmöglichkeiten an der richtigen Stelle und belohne sie dafür.
👉 Sie miaut nachts? Finde heraus, was sie braucht, z.B. eine späte Mahlzeit und tagsüber ausreichend Beschäftigung.
Und: Hab Geduld. Katzen sind keine kleinen Hunde. Sie lernen anders, und sie haben ihre ganz eigene Sprache. Je mehr du dich darauf einlässt, desto harmonischer wird euer Zusammenleben.
Fazit: Strafen schaden mehr, als sie nützen
Wenn du deine Katze liebst, und davon gehe ich aus, dann verzichte auf Strafen. Nicht, weil du „nachgiebig“ sein sollst, sondern weil du weißt, dass Lernen nur in einem sicheren, vertrauensvollen Rahmen funktioniert.
Strafen bremsen Entwicklung, machen ängstlich oder wütend, sie stehen echten Lösungen im Weg. Verständnis, Geduld und positive Verstärkung hingegen führen zu einer glücklichen Katze und einer tiefen, ehrlichen Bindung zwischen euch beiden.🐾
Deine Katze zeigt unerwünschtes Verhalten?
Strafe bringt keine Lösung, aber Verständnis schon. Als Katzenverhaltensberaterin gehe ich mit dir gemeinsam der Ursache auf den Grund:
– Was steckt wirklich hinter dem Verhalten und wodurch wird es verstärkt?
– Welche Bedürfnisse deiner Katze werden gerade nicht erfüllt?
– Und welches Verhalten möchtest du stattdessen sehen?
Mit viel Feingefühl, Wissen und Methoden der positiven Verstärkung helfe ich Dir die Probleme zu lösen, ganz ohne Druck, aber mit nachhaltigem Erfolg.