Katze schläft viel: Ruhige Persönlichkeit oder erlernte Hilflosigkeit?

Katze schläft viel - Anzeichen für erlernte Hilflosigkeit
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Fragst du dich manchmal, ob es wirklich normal ist, dass deine Katze so viel schläft? Katzen sind echte Schlafweltmeister und verbringen von Natur aus bis zu 16 Stunden am Tag mit Dösen. Aber was, wenn es deutlich mehr wird? Wenn deine Katze kaum noch aktiv ist, Spielangebote ignoriert und fast ausschließlich schläft, solltest du genauer hinschauen. Denn nicht immer steckt Gemütlichkeit oder ein ruhiger Charakter dahinter – manchmal ist es ein stiller Hilferuf.

Gerade in Mehrkatzenhaushalten spielt dabei oft auch das soziale Miteinander eine Rolle. Vielleicht hast du schon meinen Artikel „Subtiles Mobbing unter Katzen – erkennen und lösen“ gelesen. Dort erkläre ich, wie unterschwellige Konflikte entstehen können, die nach außen gar nicht wie Streit aussehen. Eine betroffene Katze zieht sich dann häufig zurück, wirkt stiller und schläft scheinbar endlos. Von außen betrachtet wirkt das oft harmlos, doch in Wirklichkeit kann hier etwas Ernstes dahinterstecken: erlernte Hilflosigkeit.

Wenn deine Katze viel schläft, ist das nicht immer nur normale Katzenruhe. Manchmal steckt erlernte Hilflosigkeit dahinter – ein Zustand, in dem Katzen aufgeben, aktiv zu handeln, weil sie gelernt haben, dass ihr Verhalten keine Wirkung zeigt. Besonders bei Konflikten im Mehrkatzenhaushalt oder bei Katzen aus dem Tierschutz kann das vorkommen. Anzeichen sind Passivität, Rückzug, kaum Spiel- oder Erkundungsverhalten und in manchen Fällen sogar Verteidigungsschlaf. Wichtig ist, genau hinzuschauen, gesundheitliche Ursachen auszuschließen und der Katze mit Geduld, positiver Verstärkung und sicheren Strukturen zu helfen, wieder Vertrauen zu fassen.

Das Konzept stammt aus der Psychologie. Der Forscher Martin Seligman hat in den 1960er-Jahren gezeigt, dass Tiere (und auch Menschen) in einen Zustand geraten können, in dem sie aufhören, aktiv etwas zu verändern. Sie lernen: „Egal, was ich tue, es hat sowieso keinen Effekt.“ In seinen berühmten Versuchen mit Hunden zeigte sich, dass die Tiere irgendwann aufgaben – selbst dann, wenn sie später durchaus eine Möglichkeit gehabt hätten, einer unangenehmen Situation zu entkommen (Seligman, ME, & Maier, SF, 1967).

Für Katzen bedeutet das: Wenn sie immer wieder erfahren, dass ihre Versuche nichts bringen – sei es, Konflikten mit einer Mitkatze aus dem Weg zu gehen, sich gegen unangenehme Situationen zu wehren oder durch Verhalten etwas zu bewirken – dann ziehen sie sich zurück. Sie schlafen viel, wirken passiv und unternehmen kaum noch etwas aus eigener Initiative.

Wenn die Katze sehr viel schläft

Natürlich schlafen Katzen von Natur aus viel. Schlaf und Ruhephasen sind lebenswichtig für sie. Wir Menschen neigen aber auch schnell dazu, Katzen, die viel schlafen, als besonders pflegeleicht oder entspannt zu sehen. Vielleicht, weil wir es gewohnt sind, dass Katzen eben viel ruhen. Vielleicht auch, weil eine stille Katze im Alltag weniger auffällt. Doch genau das ist die Gefahr: Wir übersehen leicht, dass etwas nicht stimmt. Wenn deine Katze nicht nur viel schläft, sondern auch wenig Lebensfreude zeigt, dann kann das mehr als nur „Gemütlichkeit“ sein.

Dahinter können ernsthafte medizinische Ursachen (z. B. Schmerzen, Stoffwechselstörungen, Schilddrüsenerkrankungen, Herzerkrankungen usw.) stecken. Daher sollte die Katze auf jeden Fall gründlich tierärztlich untersucht werden. Wenn jedoch physisch alles in Ordnung ist, oder die Katze Krankheiten aufweist, welche typischerweise stressbedingt auftreten (z.B. eine Blasenentzündung, Magen-Darm-Beschwerden oder ein schwaches Immunsystem), kann es sein, dass die Katze in eine Art Resignation gefallen ist.

Eine Katze, die resigniert hat, wirkt nach außen fast „bequem“. Dabei steckt dahinter Stress, Überforderung oder Angst – ähnlich wie bei uns Menschen, wenn wir in eine depressive Phase rutschen und scheinbar nur noch schlafen wollen. In der Psychosomatik wird erlernte Hilflosigkeit beim Menschen mit Depressionen und Ängsten in Verbindung gebracht. Auch bei Katzen können dauerhafte Stresssituationen zu vergleichbaren seelischen und körperlichen Folgen führen. Sehr lesenswert ist dazu dieser wissenschaftliche Artikel.

Wie entsteht erlernte Hilflosigkeit bei Katzen?

Eine Katze kann in erlernte Hilflosigkeit geraten, wenn sie wiederholt erlebt, dass ihr Verhalten keinen Unterschied macht. Typische Auslöser sind zum Beispiel:

  • Unklare oder strafende Erziehung – die Katze wird bestraft, ohne dass sie versteht warum.
  • Ein Umfeld ohne Einflussmöglichkeiten – die Katze kann nichts tun, um unangenehme Situationen zu verbessern.
  • Angst vor einem Mitbewohner – ja, auch das kommt häufig vor. Wird eine Katze von einem anderen Tier im Haushalt dauerhaft unterdrückt oder gemobbt, kann sie irgendwann einfach „aufgeben“.
  • Mangel an Handlungsspielräumen und unerfüllte Bedürfnisse: Eine Umgebung ohne Rückzugsorte, ohne Möglichkeiten zur Beschäftigung oder ohne Kontrolle über wichtige Ressourcen kann dazu führen, dass Katzen einfach aufgeben.

Das Ergebnis ist eine Katze, die fast nur noch schläft und wirkt, als sei sie „faul“ – in Wahrheit hat sie aber die Hoffnung verloren, dass ihr Handeln etwas verändert.

Wie zeigt sich erlernte Hilflosigkeit bei Katzen?

Bei Katzen sieht erlernte Hilflosigkeit ein bisschen anders aus als bei Hunden im Labor, aber die Grundprinzipien sind die gleichen. Typische Anzeichen können sein:

  • kaum Motivation zu Spiel oder Erkundung,
  • sehr wenig Eigeninitiative,
  • stark reduzierte Kommunikation (kein Miauen, keine Körpersignale),
  • Passivität statt Problemlösungsverhalten,
  • kein Flucht- oder Abwehrverhalten mehr, selbst in stressigen Situationen,
  • schnelle Resignation – die Katze „ergibt sich“ sofort.
  • Verteidigungsschlaf

Verteidigungsschlaf – wenn Schlafen zur Schutzstrategie wird

Was vielen Katzenhalter*innen nicht bekannt ist: Schlaf bedeutet nicht automatisch Erholung. Wenn deine Katze sich mitten in einer angespannten Situation einfach hinlegt und „schläft“, wirkt das auf den ersten Blick total niedlich, doch in Wahrheit kann etwas ganz anderes dahinter stecken, nämlich ein sog. Verteidigungsschlaf.

Der Verteidigungsschlaf ist im Grunde eine passive Abwehrstrategie. Die Katze zeigt nach außen Ruhe, während sie innerlich angespannt ist. Sie „schaltet ab“, weil sie die Situation nicht kontrollieren oder verändern kann. Oft geht damit ein Scheinschlaf einher: Die Augen sind geschlossen oder halb geschlossen, die Katze wirkt ruhig, doch die Sinne bleiben aufmerksam und der Körper angespannt. Gleichzeitig kann sie den sozialen Kontakt zu Artgenossen oder Menschen abbrechen, um sich aus einer Konfliktsituation zurückzuziehen.

Beim Verteidigungsschlaf ist vor allem die Körperhaltung kennzeichnend. Je nachdem, wie stark die Situation die Katze belastet, nimmt sie eine mehr oder weniger verkrampft wirkende Verschlusshaltung ein. Typische Merkmale sind:

  • Der Rücken ist zusammengekrümmt, Kinn und Hals eingezogen.
  • Schwanz und Beine sind unter den Körper gezogen oder eng angelegt.
  • Sie schläft in Lauerstellung, mit angezogenen Beinen und dem Kopf auf den Vorderpfoten.
  • Häufig sind die Haare am ganzen Körper gesträubt.
  • Das Gesicht wirkt angespannt: die Augenlider sind fest zusammengepresst, die Ohren nach hinten oder zur Seite gedreht.
  • Auch wenn sie die Augen scheinbar geschlossen hat, sind ihre Ohren oder ihr Schwanz oft in Bewegung, sie ist stets wachsam.
  • Die Muskeln sind nie ganz entspannt, als wäre sie jederzeit bereit, zu reagieren.

Diese Haltung signalisiert: Die Katze fühlt sich bedroht, möchte aber keine aktive Konfrontation eingehen. Sie versucht also, Gefahr durch Kontaktabbruch zur Umwelt zu bewältigen. Ganz nach dem Motto: „Wenn ich nichts sehe, kann ich nicht gesehen werden„.

Kurz gesagt: Verteidigungsschlaf ist kein Zeichen von Gemütlichkeit, sondern ein stiller Hilfeschrei.

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Wie unterscheidest du eine ruhige Katze von einer resignierten Katze?

Das ist manchmal gar nicht so einfach. Aber es gibt ein paar Dinge, auf die du achten kannst:

  • Eine ruhige Katze ist trotzdem neugierig, erkundet ihre Umgebung und zeigt Spielverhalten – vielleicht weniger intensiv, aber es ist da.
  • Eine Katze mit erlernter Hilflosigkeit dagegen wirkt wie „abgeschaltet“. Sie zeigt kaum noch Motivation, reagiert wenig auf Anregungen und gibt schnell auf.
  • Ruhige Katzen können sich durchaus wehren oder fliehen, wenn sie bedroht werden. Resignierte Katzen hingegen lassen fast alles über sich ergehen.

Wenn du dir unsicher bist, lohnt es sich immer, genauer hinzusehen – und bei plötzlichen Veränderungen unbedingt den Tierarzt aufzusuchen, um gesundheitliche Ursachen auszuschließen.

Diese Tabelle gibt dir eine gute Übersicht:

VerhaltenRuhige PersönlichkeitErlernte Hilflosigkeit
Neugier bei Neuemjaoft desinteressiert oder gar ängstlich
Motivationvorhanden, auch wenn gemächlichkaum oder gar nicht
Flucht-/ Selbstverteidigungin Stresssituationen möglichkeine Reaktion, sofortige Resignation
Interaktionsozial, wenn auch vorsichtigreduziert bis nicht vorhanden
Lernen & Anpassungmöglich, wenn auch langsamnur noch minimal, weil „es bringt nichts“

Was kannst du tun, um deiner Katze zu helfen?

Die gute Nachricht ist: Erlernte Hilflosigkeit ist kein Schicksal, aus dem es keinen Ausweg gibt. Mit Geduld und den richtigen Methoden kannst du deiner Katze helfen, wieder Vertrauen und Lebensfreude zurückzugewinnen.

Hier ein Plan in sieben Schritten:

  1. Tierärztliche Abklärung – körperliche Ursachen zuerst ausschließen lassen.
  2. Soziale Sicherheit – wenn ein Artgenosse Stress verursacht, Strukturen ändern (z. B. räumliche Trennung oder Training).
  3. Schrittweise Ziele setzen – leicht erreichbare Aufgaben geben, für Erfolgserlebnisse sorgen.
  4. Positive Verstärkung – kleine Erfolge belohnen, z. B. mit Leckerli oder Spiel.
  5. Klare Strukturen: Katzen brauchen Vorhersehbarkeit. Schaffe Routinen und sorge für ein stabiles Umfeld.
  6. Umweltanreicherung – Kratzmöglichkeiten, Kletterplätze, sichere Verstecke, abwechslungsreiches Spielmaterial.
  7. Training, das Selbstwirksamkeit vermittelt – z. B. Clickertraining, damit die Katze erfährt: „Ich bewirke etwas!“

Adoption von Katzen aus dem Tierschutz

Ruhige Katzen aus dem Tierschutz werden schnell als ideale Begleiter gesehen. Sie schlafen viel, sind unauffällig und scheinen kaum Ansprüche zu stellen. Für uns Menschen wirkt das schnell so, als hätte man ein besonders unkompliziertes Tier adoptiert. Doch hinter dieser Ruhe kann sich manchmal etwas ganz anderes verbergen.

Katzen, die aus schlechten Haltungsbedingungen kommen oder im Tierheim lange Stress und Enge erlebt haben, können in einen Zustand der erlernten Hilflosigkeit geraten sein. Gerade bei Tierschutzkatzen ist es deshalb wichtig, nicht vorschnell zu denken „die schläft halt gerne“ oder „sie ist von Natur aus so ruhig“. Vielmehr solltest Du beobachten, ob Deine Katze auch Freude an Spiel, Erkundung und sozialen Kontakten findet – oder ob sie sich fast ausschließlich zurückzieht. Mit Geduld, Verständnis und liebevoller Förderung kannst Du der Katze Schritt für Schritt zeigen, dass sie sich nun in sicherer Umgebung befindet, ihr Verhalten wieder einen Unterschied macht und dass sie nicht länger hilflos ausgeliefert ist.

Fazit

Wenn deine Katze ungewöhnlich viel schläft, heißt das nicht automatisch, dass sie einfach nur entspannt ist. Es kann ein Warnsignal sein, dass sie entweder krank ist oder sich innerlich aufgegeben hat. Hinter der scheinbaren Ruhe kann sich eine tiefe seelische Belastung verbergen. Erlernte Hilflosigkeit ist kein Zeichen von Faulheit, sondern von Leid – auch wenn es nach außen so still wirkt. Umso wichtiger ist es, die Ursachen zu erkennen und deiner Katze zu helfen, wieder Freude an ihrem Leben zu finden.

Du bist dir Unsicher? Hol dir Unterstützung!

Hast du das Gefühl, deine Katze wirkt resigniert, kaum aktiv und emotional abgeflacht? Dann melde dich – gemeinsam schauen wir, wie du ihr Raum für neue Erfahrungen und positive Erlebnisse geben kannst.

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