Wenn Katzen aggressiv reagieren – sei es durch Fauchen, Knurren, Pfotenschläge, Beißen oder sogar richtige Kämpfe – wirkt das auf uns Menschen oft bedrohlich oder „böse“. Aber tatsächlich steckt hinter aggressivem Verhalten bei Katzen keine Bosheit, sondern ein ganz bestimmtes Ziel:
Distanzvergrößerung
Es wird zwischen zwei Aggressionsarten unterschieden: Offensive und defensive Aggression.
Egal ob offensiv oder defensiv: Aggression ist niemals grundlos! Wenn wir die Emotionen hinter dem Verhalten erkennen, können wir gezielt helfen!
Aggression ist also keine „böse“ Eigenschaft, sondern eine Schutzreaktion auf ein inneres Ungleichgewicht. Wer sie versteht, kann Konflikte zwischen Katzen nicht nur besser einordnen, sondern auch vorbeugen – und für mehr Frieden im Zusammenleben sorgen.
Übrigens: Katzen bilden keine lineare Rangordnung und haben keine Demutsgesten! Zum Mythos Rangordnung habe ich bereits einen Blogbeitrag geschrieben. Schau gerne mal rein.
Offensive Aggression
Bei der offensiven Aggression geht es im allgemeinen um die Sicherung oder Verteidigung von Ressourcen.
In solchen Situationen will die Katze nicht unbedingt kämpfen – aber sie will sich sichern oder behalten, was ihr wichtig ist. Und wenn ein anderer Vierbeiner (oder manchmal auch der Mensch) ihr die wichtige Ressource streitig macht, reagiert sie mit offener Aggression. Sie möchte also die andere Katze in erster Linie vertreiben.
Typisch für dieses Verhalten ist, dass meist eine klare Drohung vorausgeht, bevor es zur eigentlichen Attacke kommt. Du kannst solche Warnsignale gut beobachten:
- Der Körper der Katze richtet sich nach vorn aus, sie streckt den Kopf in die Richtung der andern Katze und starrt sie an
- Die Ohren sind zur Seite gedreht
- Bewegung in Richtung der anderen Katze, manchmal sogar mit langsamen, gezielten Schritten, begleitet von einem Drohlaut (z.B. Knurren)
- Die Katze macht sich groß, stellt sich seitlich zum Gegenüber auf und zeigt eine sogenannte Breitseitenstellung
- Der ganze Körper wirkt angespannt und kampfbereit
- Bei sehr hoher Erregung sind die Haare entlang der Rückenlinie aufgestellt und der Schwanz buschig
All das sind Signale, mit denen die Katze sagt: „Bleib weg! Das ist meins!“ – noch bevor sie angreift.
Die zugrunde liegenden Emotionen bei offener Aggression sind meist Wut, Frust, Unsicherheit oder das Bedürfnis nach Kontrolle. Die Katze möchte vermeiden, etwas Wichtiges zu verlieren.
Defensive Aggression
Ganz anders sieht es bei der defensiven Aggression aus. Hier geht es der Katze nicht darum, etwas zu verteidigen, sondern sich selbst vor einer Bedrohung zu schützen. Diese Art der Aggression zeigt sich häufig, wenn eine Katze sich in die Enge gedrängt fühlt oder keinen Fluchtweg sieht. Das Verhalten ist in erster Linie Abwehrverhalten, bei dem die Katze versucht, sich selbst vor Schmerz, Überforderung oder Angst zu schützen.
Typisch ist: Die Katze möchte eigentlich fliehen, aber wenn das nicht möglich ist, bleibt ihr als letztes Mittel nur der Angriff – oder besser gesagt: die Gegenwehr. Das aggressive Verhalten dient auch hier dem Ziel, Distanz zu schaffen, diesmal jedoch rein aus Selbstschutz.
Körperliche Merkmale bei defensiver Aggression:
- Der Körperschwerpunkt ist nach hinten verlagert – die Katze bewegt sich also vom Auslöser weg
- Sie duckt sich oder legt sich auf die Seite, um mit allen vier Pfoten abwehren zu können
- Der Kopf wird zurückgezogen, die Ohren sind eng am Kopf angelegt
- Sie faucht, zeigt die Zähne oder schreit laut
- Der Blick ist häufig weit aufgerissen, die Pupillen groß
- Das Fell ist unter Umständen am ganzen Körper gesträubt
Häufig geht dem aggressiven Verhalten ein klares Droh- bzw. Abwehrverhalten voraus. Die Katze warnt deutlich: „Komm mir nicht näher, sonst muss ich mich wehren.“
Die zugrunde liegenden Emotionen bei defensiver Aggression sind Angst, Unsicherheit und starker Stress. Katzen, die sich oft in Bedrängnis fühlen oder keine Rückzugsmöglichkeiten haben, entwickeln mit der Zeit ein sehr angespanntes Nervenkostüm – und reagieren entsprechend heftiger auf scheinbar kleine Auslöser.
Reflexive, defensive Aggression
Es gibt auch Situationen, in denen das aggressive Verhalten reflexartig und ohne Vorwarnung auftritt. Das passiert meist, wenn die Katze sich plötzlich erschreckt oder sie in einer Stresssituation überfordert wird. Diese Art von Verhalten ist oft begleitet von sehr starken Emotionen: Panik, Überforderung, plötzliche Angst. Der Angriff erfolgt hier impulsiv – nicht weil die Katze „aggressiv“ ist, sondern weil ihr Nervensystem auf Notfallmodus schaltet.
Ein Beispiel:
Eine Katze liegt in ihrem Rückzugsort und schläft, als ein Kind plötzlich und unerwartet nach ihr greift. Die Katze fährt herum, faucht, schlägt oder beißt sogar – nicht aus Bosheit, sondern aus einem reflexhaften Schutzmechanismus heraus. Wäre ein Fluchtweg da gewesen, hätte sie diesen vermutlich bevorzugt.
Achtung: Einordnung nicht einfach!
So hilfreich die Unterscheidung zwischen offensiver und defensiver Aggression auch ist – in der Praxis ist sie oft gar nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint. Denn Katzen verhalten sich nicht nach einem starren Schema. Sie reagieren sehr feinfühlig auf ihre Umwelt, auf ihr Gegenüber und vor allem auf ihre eigenen, sich ständig verändernden Emotionen.
In vielen Konfliktsituationen zeigt eine Katze nicht ausschließlich offensive oder ausschließlich defensive Körpersprache, sondern eine Mischung aus beidem. Ihr Verhalten kann innerhalb weniger Sekunden zwischen Angriff und Rückzug schwanken – je nachdem, wie bedrohlich sie die Situation empfindet oder wie das Gegenüber reagiert.
Auch während einer Auseinandersetzung kann sich die Körpersprache schnell verändern:
- Eine Katze geht zuerst selbstbewusst auf die andere zu (offensiv),
- Doch sobald diese unerwartet reagiert, duckt sie sich plötzlich ab oder zieht sich zurück (defensiv).
- Sekunden später richtet sie sich wieder auf und zeigt die Zähne – bereit zur nächsten Reaktion.
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Körpersprache im Zwiespalt: Der „Halloween-Katzenbuckel“

Wenn eine Katze einen Buckel macht und gleichzeitig das Fell am ganzen Körper gesträubt ist, wirkt das auf uns oft furchteinflößend. Doch in den meisten Fällen steckt keine reine Angriffslust, sondern ein innerer Konflikt dahinter.
Diese Körperhaltung zeigt:
- Die Katze ist hin- und hergerissen zwischen Flucht und Angriff.
- Sie möchte Abstand, fühlt sich bedroht, will aber gleichzeitig auch Abschreckung erzeugen, um sich selbst zu schützen.
Typisch ist dieses Verhalten in angespannten Begegnungen, bei denen die Katze nicht einschätzen kann, wie sich das Gegenüber verhalten wird. Die Körpersprache schwankt dann deutlich – sie will vermeiden, verletzt zu werden, aber auch nicht die Kontrolle verlieren.
Jagd- und Spielverhalten

Bei Jagd- oder Beutefangverhalten handelt es sich um kein klassisches aggressives Verhalten. Während aggressives Verhalten meist mit Emotionen wie Wut, Ärger oder Frustration verbunden ist, basiert das Beutefangverhalten auf Instinkt und Motivation zur Nahrungsbeschaffung und nicht auf dem Wunsch der Distanzvergrößerung zum Gegenüber. Dennoch kann es für den Menschen oder auch für andere Katzen bedrohlich wirken.
Wenn eine Katze plötzlich die Hand angreift, die sich bewegt, oder den Fuß im Vorübergehen anspringt, fühlt sich das für den Betroffenen schnell wie ein aggressiver Übergriff an. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass bei jagdlich motivierten Attacken meist kein Drohverhalten vorausgeht und die Katze nicht aus Ärger, sondern aus einer inneren Spannung oder Jagdbegeisterung handelt. Gerade in stressigen Situationen kann Beutefangverhalten auch als Übersprungreaktion auftreten. Für die Wahrnehmung des Gegenübers macht das oft keinen Unterschied – Schmerz, Schreck oder Abwehrreaktionen sind ähnlich wie bei echter Aggression. Umso wichtiger ist es, die Motivation hinter dem Verhalten zu erkennen und der Katze passende Auslastung und Entspannung zu ermöglichen.
Fazit
Für uns als Menschen gilt also: Genaues Beobachten, viel Feingefühl und Wissen über die Körpersprache der Katze sind entscheidend. Es geht nicht nur darum, „richtig“ zuzuordnen, sondern vor allem darum, die Emotionen hinter dem Verhalten zu erkennen.
Je besser du die feinen Signale lesen kannst, desto eher kannst du deeskalierend eingreifen und deiner Katze helfen, sich sicher und verstanden zu fühlen – und genau das ist der erste Schritt zu einem harmonischeren Miteinander. Wie du das am besten machst, erkläre ich dir in meinem 0€-Guide: Sofortmaßnahmen zur Streitschlichtung.
Meine Unterstützung
Wenn deine Katzen sich streiten oder eine von ihnen dich angreift, liegt die Ursache meist tiefer als es auf den ersten Blick scheint. Eine genaue Verhaltensanalyse ist entscheidend, um zu verstehen, was die Konflikte auslöst – und wie ihr sie dauerhaft lösen könnt.
Buche jetzt eine Verhaltensberatung und finde heraus, was hinter dem aggressiven Verhalten steckt.



